Fachkräfte gesucht? Fachkräfte gefunden!

Der Fachkräftemangel ist keineswegs nur ein Schlagwort. Erhebungen aus den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit und den Auswertungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IBA, eine besondere Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit) zeigen in zehn sehr wichtigen Berufsfeldern einen erheblichen Fachkräftemangel, d. h. weniger ausgebildete Arbeitssuchende im Bereich, als nötig wären, um alle freien Stellen zu besetzen. Allein im Jahr 2021 blieben in diesen Berufen über 155.000 Stellen unbesetzt. In ihrer Not gehen mehr und mehr Firmen dazu über, mittels entsprechender Dienstleister Stellenanzeigen auf Social Media zu schalten, um geeignete Kandidaten und Kandidatinnen zu finden.

Der Fachkräftemangel besitzt in Deutschland fast schon eine Art Tradition. Zwar wurde er durch die Pandemie ab dem Jahr 2020 etwas übertüncht, doch einige Jahre später schlägt die Situation wieder voll auf den Arbeitsmarkt durch. Dass sich daran auch in Zukunft kaum etwas ändern wird, zeigt eine Berechnung der IBA zum Arbeitskräftepotenzial in der Bundesrepublik. Im Jahr 2020 gab es 47,4 Millionen Erwerbspersonen. Bis zum Jahr 2035 sinkt diese Zahl voraussichtlich auf 40,2 Millionen. Im Jahr 2060 sind es dann rechnerisch nur noch 31,3 Millionen Arbeitnehmer:innen, die als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Allein, um die Zahl der 47,4 Millionen Erwerbspersonen von 2020 bis 2035 zu halten, müssten die nächsten 13 Jahre jedes einzelne Jahr mindestens 400.000 Arbeitnehmer:innen aus dem Ausland zuwandern. Das wären insgesamt sechs Millionen Personen.

Zuwanderung ist keine ideale Lösung

Die Vorstellung, im Ausland gezielt nach den Fachkräften zu suchen, die gerade benötigt werden, ist eine Utopie. Der Begriff Fachkräftemangel unterliegt schwankenden Parametern. Während es heute vor allem sozial-pflegerische oder therapeutische Berufe wie auch Berufe aus der IT-Branche sind, die fehlen, kann sich die Lage innerhalb weniger Monate ändern. So wird den Arbeitgebern aus dem sozialen Bereich über kurz oder lang nichts anderes übrig bleiben, als die offenen Stellen für Bewerber:innen wesentlich attraktiver zu machen. In der IT und dem Handwerk ist es komplizierter, weil dort die entsprechend ausgebildeten Fachkräfte tatsächlich fehlen und nicht nur durch schlechte Arbeitsbedingungen abgeschreckt werden.

Nun stehen aber IT-Fachleute und Handwerker in anderen Ländern kaum Gewehr bei Fuß, um in Deutschland die offenen Stellen zu besetzen. Hinzu kommt, dass es nur wenige Fachkräfte aus dem Ausland gibt, die sofort eine offene Stelle in Deutschland besetzen können. Natürlich wird in der IT so oder so überwiegend Englisch gesprochen, im Handwerk jedoch nicht. Doch die potentielle Sprachbarriere allein ist es nicht. Jedem Bewerber und jeder Bewerberin muss entsprechend Zeit für die Integration gegeben werden, und die gesamte Gesellschaft muss entsprechend aufnahmebereit sein. Sonst läuft es wie in Japan ab, das sehr ähnliche Probleme bezüglich der Demografie wie Deutschland hat. Viele zunächst eingewanderte Fachkräfte kehren nach wenigen Jahren dem “Land der aufgehenden Sonne” den Rücken zu, weil Ausländer:innen in der traditionell geschlossenen Kultur der Japaner keinen Zugang finden – von der extrem komplizierten Sprache einmal abgesehen.

Schulung und Ausbildung sollten Priorität besitzen

Dass jährlich 400.000 ausgebildete Fachkräfte nach Deutschland einwandern, bleibt eine Wunschvorstellung, ähnlich einer Reise zum Mars. Vielleicht kann ein anderer Ansatz Abhilfe schaffen: Familien sollten viel stärker gefördert, das Schulsystem renoviert, aber auch die überbetriebliche Ausbildung entstaubt werden. Das schafft Anreize, die dazu führen, dass der Fachkräftemangel auf lange Sicht aus “den eigenen Reihen” ausgeglichen werden kann. Außerdem werden so eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Problemen in Angriff genommen, bei denen auch unabhängig vom Fachkräftemangel Handlungsbedarf besteht.