Digital versus Papier – eine Betrachtung

Wann haben Sie das letzte Mal einen Brief oder irgendein Dokument von Hand verfasst? Bei den meisten Menschen, die diese Frage lesen, wird es vermutlich lange zurückliegen. Je jünger die jeweilige Person ist, desto wahrscheinlicher wird es sein, dass dieser Vorgang noch in der Schulzeit lag. PC oder Laptop haben den Kugelschreiber und das Papier längst abgelöst. Alles ist digital erfasst und wird extra für den Menschen bei Bedarf aus seinem Lagerort des Speichermediums heraus aus der Maschinensprache, dem Binärcode, wieder in Schriftsprache umgewandelt.

Viele dieser digital erstellten Schriftstücke werden aber nicht nur am Bildschirm in den Schriftzeichen der jeweiligen Sprache dargestellt, sie werden auch noch ausgedruckt. So kommt es, dass zu den Dokumenten der vordigitalen Zeit die ausgedruckten Dokumente des digitalen Zeitalters hinzukommen. Ungeheure Berge an Papier, eingefasst in Aktenordner, die eine Zeitlang mehr oder weniger genutzt und dann letztlich der Akteneinlagerung übergeben werden oder der Aktenvernichtung anheimfallen.

Die Diskrepanz zwischen analog und digital schafft Probleme

Dass der Mensch das schon vor über 2 Jahrzehnten lauthals verkündete papierlose Büro einmal erreichen wird, ist eher unwahrscheinlich. Dabei darf dies nicht nur aus der Sicht hoch technologisierter Staaten betrachtet werden. Gemäß den Zahlen des IWF leben rund 85 % der Weltbevölkerung in Entwicklungsländern, in denen die Digitalisierung bei weitem nicht so stark fortgeschritten ist wie in den Industrieländern. Dabei darf in Bezug auf den Zwiespalt zwischen analog und digital das auch in armen Ländern weit verbreitete Smartphone nur bedingt mit einbezogen werden. Die Anwendung eines Smartphones in der Administration oder Verwaltung besitzt kaum Relevanz.

In den meisten Gebieten dieser Erde müsste das Tablet, der PC oder der Laptop mit dem Papier konkurrieren, was ein aussichtsloser Konkurrenzkampf ist, angesichts der Preisunterschiede. Aber nicht nur das. Eine weltweite Digitalisierung mit einer Computerdichte wie in den Industrieländern scheitert schon an der Materialbeschaffung. Wir lassen uns gerne von neuen Produkten der Digitalindustrie täuschen. Von federleichten, biegsamen Displays und winzigen Recheneinheiten, von lasergesteuerten Bildschirmen, die wie in Sciences Fiction Filmen vor uns in der Luft schweben. All diese tollen Dinge sind und werden immer nur einem Bruchteil der Menschheit zugänglich sein. Der große Rest arbeitet mit Papier.

Warum nicht das Papier anpassen?

Statt eine weltweite Digitalisierung zu propagieren, die in der Realität nie durchzusetzen ist, sollte vielleicht daran gearbeitet werden, den wichtigsten Datenträger der Welt, das Papier, so anzupassen, dass dessen Umweltproblematik sinkt. Ein weiterer wichtiger Faktor, an dem gearbeitet werden sollte, ist die Hardware zur Drucktechnik. Vor allem die verwendete Druckerfarbe ist verbesserungswürdig, aber auch die Lebensdauer von Druckern sollte unbedingt erhöht werden. Die bisherige Praxis der Hersteller, Drucker billig herzustellen und anzubieten, um nachher über die Druckerkartuschen abzukassieren, bedarf unbedingt der Änderung.

Auch im Angesicht der sich immer mehr in den Vordergrund drängenden künstlichen Intelligenz (KI), die uns schon jetzt in fast jedem Bereich überlegen ist, kann es nicht schaden, die Wertigkeit des analogen Papiers zu betrachten. Denn ob der Binärcode geeignet ist, das Wissen der Welt zu erhalten, zu erweitern und weiterzugeben, so wie es das Papier seit etwa 2000 Jahren macht, darf zumindest angezweifelt werden. Eher wird es so sein, dass Maschinen ihr Erbe an Maschinen weitergeben, in Binärcode. Der Mensch wird was das Wissen betrifft mehr und mehr überflüssig sein.