In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich eine interessante Entwicklung abgespielt. Nicht zuletzt durch die Popularität des Internets, das die Kommunikation in Echtzeit auch über weite Distanzen ermöglicht, und die Corona-Pandemie, die das Arbeiten im Homeoffice weitläufig etabliert hat, hat eine zunehmende Dezentralisierung von Geschäftsprozessen stattgefunden. Es ist nicht mehr länger notwendig, einen festen Geschäftsstandort zu besitzen, an dem alle Betriebsangehörigen sich täglich einfinden müssen. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten für pfiffige Unternehmer:innen, aber aus rechtlicher Sicht will dabei so manches beachtet werden. Außerdem sollte man bedenken, dass sich Gewohnheiten nur schwer ändern und Kund:innen von allzu innovativen Strukturen abgeschreckt werden könnten.
Rechtlich gesehen benötigt jedes Unternehmen eine offizielle Firmenanschrift, unter der es erreichbar ist. Diese muss bei der Gewerbeanmeldung angegeben werden; Postfach-Adressen sind dabei nicht zulässig. Für dezentral organisierte Unternehmen kann das zum Problem werden.
Wer für sein Unternehmen Räumlichkeiten gemietet hat, kann selbstverständlich diese Anschrift angeben, auch, wenn nicht alle Mitarbeitenden täglich zu diesem Standort pendeln. Es sollte allerdings regelmäßig jemand am Unternehmensstandort anzutreffen sein, um nach der Post zu sehen. Auch aus Gründen der Sicherheit ist es empfehlenswert, Unternehmensräumlichkeiten nicht verwaisen zu lassen, damit eventuelle Probleme wie Einbrüche oder ein Wasserrohrbruch frühzeitig entdeckt werden.
Bei komplett dezentral organisierten Firmen kann man die Wohnanschrift des oder der Unternehmensleiter:in wählen, wenn die Unternehmensleitung von zu Hause aus agiert. Ob man das allerdings tun möchte, steht auf einem anderen Blatt, denn eine Wohnanschrift wirkt nicht unbedingt seriös und der Schutz der eigenen Privatsphäre sollte nicht vernachlässigt werden. Eine mögliche Alternative ist das Mieten einer Firmenadresse mit Scanservice, zum Beispiel in Berlin. Für einen kleinen Betrag im Monat wird Ihnen dann eine Anschrift zur Verfügung gestellt, die Sie für geschäftliche Zwecke angeben können. Der Service umfasst die Weiterleitung Ihrer Unternehmenspost an eine Stelle Ihrer Wahl.
Wer sich für eine komplett dezentrale Organisation des eigenen Unternehmens entscheidet, braucht ein gutes Konzept für die innerbetriebliche Kommunikation. Mal eben am Büro des Kollegen klopfen und etwas besprechen ist nämlich nicht möglich, wenn besagter Kollege mehrere hundert Kilometer entfernt sitzt. Vielversprechend ist das Konzept, den realen Ort, an dem in der Vergangenheit alle zusammenkamen und arbeiteten, durch einen virtuellen Ort zu ersetzen. De facto bedeutet das, einen Server aufzusetzen, auf dem durch Bildschirmübertragungen, Messengerdienste, Voice Chat und geteilte Ordner alle zusammenarbeiten können. Der Login wird gleichbedeutend mit der Ankunft am Arbeitsplatz, der Logout mit dem Feierabend. Viele Services bieten inzwischen virtuelle Arbeitsumgebungen an, manche sogar kostenlos. Google und Microsoft sind beispielsweise Software-Firmen, die entsprechende Optionen anbieten. (Gerade bei Google findet sich in Form von Google Docs eine äußerst praktische Anwendung, die es mehreren Leuten erlaubt, zeitgleich dezentral am selben Dokument zu arbeiten.) Neben dem Preis sollten jedoch auch die Datensicherheit (!), die Benutzerfreundlichkeit und die Archivierungsmöglichkeiten bedacht werden, bevor die endgültige Entscheidung fällt.